Hillsborough

Selbstverständlich war es immer DNA unseres Supporters Clubs, die Opfer sowie die Angehörigen der Hinterbliebenen im größten Trauma unserer Club-Historie und in einer der größten Fußballkatastrophen weltweit zu unterstützen.

Die Rede ist natürlich von Hillsborough…

Seit unserer Gründung unterstützten wir regelmäßig die (inzwischen aufgelöste) Hillsborough Justice Campaign (HJC) und die Hillsborough Family Support Group (HFSG) finanziell sowie z.B. bei Gedenktagen, Protesten und Petitionen.

Das Hillsborough Memorial befand sich über viele Jahre hinweg an der Außenseite unseres Stadions direkt an der Anfield Road und wurde mit dem Umbau Anfields in den Außenbereich des neuen Main Stands integriert.Es erinnert an die 96 Fans, die 1989 beim FA Cup-Halbfinale in Sheffield ums Leben kamen, weshalb auch der Bereich vor dem neu eröffneten Main Stand in „96 Avenue“ (inzwischen „97 Avenue“) umbenannt wurde.

Die Katastrophe von Hillsborough

Es ist der 15. April 1989. Für die Fans unseres Liverpool FC ein ganz besonderer Tag, denn ihr Verein spielt heute um den Einzug in das Finale des englischen FA Cups. Schon früh machen sich die Ersten auf den Weg zum Hillsborough-Stadion nach Sheffield, wo das Spiel gegen Nottingham Forest ausgetragen werden soll. Seit Wochen ist die Partie ausverkauft, die Tickets sind hochbegehrt. In der Hoffnung, auf dem Schwarzmarkt fündig zu werden, reisen viele Fans auch ohne Karte an. Die Zahl der Menschen vor dem Stadion steigt rasant und erreicht ihren Höhepunkt gegen 14.30 Uhr.

Eine halbe Stunde vor Anpfiff drängen sich 10.000 Fußballfans auf engstem Raum und versuchen verzweifelt, in die Nähe der sieben Drehkreuze zu gelangen. Während Polizei und Sicherheitsdienst mit der Lage vollkommen überfordert sind, ist das Stadion schon gut gefüllt. Auch Menschen ohne Ticket werden in Richtung der Eingänge gedrückt, ohne jede Chance, dem Strom zu entfliehen. Der Anpfiff rückt immer näher, mit der Angst, die ersten Spielminuten zu verpassen, wächst auch der Druck auf die Tore vor dem Stadion. Die Masse fordert erste Opfer.

Ein fataler Fehler

Um den Druck auf die Eingänge zu mildern, entscheidet sich der verantwortliche Polizeidirektor Duckenfield schließlich dazu, das als Ausgang konzipierte »Gate C« zu öffnen. Durch das Gate, das nicht wie ein Eingangstor über Drehkreuze verfügt, gelangen hunderte Fans in kürzester Zeit ins Stadioninnere. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellt. Während die Teams schon auf den Platz laufen, strömen immer noch tausende Fans auf die Ränge der überfüllten Liverpooler Fankurve. Obwohl die Polizei Bedenken hat, pfeift der Schiedsrichter die Partie pünktlich um 15.00 Uhr an, die Aufmerksamkeit der Menschen gilt nun völlig dem Spielfeld.

Fans, die nun in den Block strömen, merken nicht, welche dramatischen Szenen sich im unteren Teil der Tribüne abspielen. Durch den Druck von oben werden die Menschen gegen Gitter und Zäune gepresst, ringen nach Luft, kämpfen ums Überleben. Die ersten Fans sind bereits tot, sie sterben aufrechtstehend an Kreislaufversagen oder Atemstillstand inmitten ihrer Freunde. Bemerkt wird dies zuerst nur von den direkt Umstehenden.

Erst als es den ersten Fans gelingt, über den Zaun auf das Spielfeld zu klettern, wird der Ernst der Lage erkennbar. Schließlich bricht der Zaun. Auf Anweisung der Polizei wird das Spiel in der sechsten Spielminute unterbrochen. Während die Fans im oberen Teil der Blöcke nun auf die immer noch halb leeren Nebenblöcke ausweichen, ist der Druck im unteren Teil des Mittelblocks zu hoch für den Zaun – schließlich bricht die massive Eisenabsperrung einfach weg. Nach Atem ringend strömen Menschen auf das Spielfeld, teilweise mit schweren Quetschungen. Fans leisten ihren Freunden Erste Hilfe, doch für viele kommt jede Hilfe zu spät. 94 Menschen sterben am 15. April 1989 im Hillsborough-Stadion, 766 erleiden zum Teil schwere Verletzungen. Vier Tage später erliegt der 14-jährige Lee Nicols im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Die lange endgültige Opferzahl von 96 wird im März 1993 erreicht, als nach vierjährigem Koma Tony Bland im Alter von 22 Jahren stirbt. Die heute geführte Zahl von 97 Opfern gilt seit Juli 2021. Damals verstarb der 55 jährige Andrew Devine, der 32 Jahre zuvor in Hillsborough irreversible Hirnschädigungen erlitt und erst nach acht Jahren mit schweren Behinderungen aus dem Koma erwachte. Ein englisches Gericht bestätigte Andrew angesichts der Umstände offiziell als 97. Hillsborough-Opfer.

Neben physischen Verletzungen sind Überlebende (auch auf Seiten von Nottingham Forest!) bis heute traumatisiert, das Hillsborough-Desaster ist Grund zahlreicher Suizide. Kaum eines der Opfer war über 30 Jahre alt, viele von ihnen waren Kinder. Als jüngstes Opfer starb Jon-Paul Gilhooley im Alter von nur zehn Jahren. Jon-Pauls Cousin spielte selbst lange als Profi beim Liverpool FC: Steven Gerrard erzählt in seiner 2006 erschienenen Autobiografie, dass seine gesamte Karriere dem toten Cousin gewidmet ist.

Bis heute beeinflusst die Katastrophe das Leben der Menschen in Liverpool und sogar in ganz England. Auch wenn als Ursache des Desasters inzwischen totales Versagen der Polizei und der Ordnungskräfte festgestellt wurde, sollte das Ereignis auch die Stadien für immer verändern. Mit dem „Taylor Report“ wurden 1990 erste Maßnahmen vorgestellt, durch die der Fußball sicherer werden soll. Nach den Untersuchungen unter der Leitung von Lord Taylor of Gosforth wurden alle Stehplätze abgeschafft, so dass man jedem Besucher einen Sitzplatz zuweisen konnte. Auch die Zäune im Stadioninnenraum, von denen viele sogar mit Stacheldraht ausgestattet waren, wurden verboten. Kurz darauf übernahmen der Weltverband und der europäische Verband diese Regelungen; deshalb werden auch in deutschen Stadien bei internationalen Spielen nur noch Sitzplätze angeboten.

In einem (inzwischen abgerissenen) Laden gegenüber dem KOP hatte lange Jahre die „Hillsborough Justice Campaign“ Quartier bezogen. Viele Fans kamen vor oder nach dem Spiel vorbei, die meisten spendeten etwas und holten sich ein paar Aufkleber ab: „Don’t buy ,The Sun‘“ steht auf ihnen. Die Boulevard-Zeitung „The Sun“ wird in Liverpool/Merseyside seit der Katastrophe boykottiert. Auslöser war ein Artikel unter dem Titel „The Truth – Die Wahrheit“. Darin behauptete die Zeitung unter anderem, betrunkene Fans hätten Rettungskräfte angegriffen, die den Opfern zur Hilfe eilen wollten.

Es folgte ein Aufschrei der Empörung. Viele, die Freunde oder Familienangehörige verloren hatten, mussten lesen, dass sie angeblich auf Leichen uriniert und diese bestohlen hätten. Zeitungshändler weigerten sich, die „The Sun“ zu verkaufen, die Auflage fiel im Großraum Liverpool von 400.000 auf 12.000 Exemplare – auf diesem Niveau liegt sie dort trotz einer halbherzigen Entschuldigung der „The Sun“ bei den Bewohnern Liverpool im Jahr 2004 immer noch.

Die Katastrophe hat die Menschen und den Fußball verändert. Im Wappen unseres Liverpool FC wurden zu Ehren der Opfer zwei Flammen sowie der Schriftzug „You’ll never walk alone“ hinzugefügt und vor dem Denkmal am Anfield Stadium liegen, auch Jahrzehnte nach der Katastrophe, jeden Tag noch frische Blumen und Fanschals aus aller Welt. 

22 Tage nach der Katastrophe 1989 gewann unser LFC das Wiederholungsspiel 3:2 und wenig später durch ein 3:2 auch den FA Cup gegen Everton.

Es starben bei der Katastrophe in Hillsborough:

 

John Alfred Anderson (62), Thomas Howard (39), Colin Mark Ashcroft (19), Thomas Anthony Howard (14), James Gary Aspinall (18), Eric George Hughes (42),

Kester Roger Marcus Ball (16), Alan Johnston (29), Gerard Bernard Patrick Baron (67), Christine Anne Jones (27), Simon Bell (17), Gary Philip Jones (18),

Barry Sidney Bennett (26), Richard Jones (25), David John Benson (22), Nicholas Peter Joynes (27), David William Birtle (22), Anthony Peter Kelly (29),

Tony Bland (22), Michael David Kelly (38), Paul David Brady (21), Carl David Lewis (18), Andrew Mark Brookes (26), David William Mather (19), Carl Brown (18),

Brian Christopher Mathews (38), David Steven Brown (25), Francis Joseph McAllister (27), Henry Thomas Burke (47), John McBrien (18), Peter Andrew Burkett (24),

Marion Hazel McCabe (21), Paul William Carlile (19), Joseph Daniel McCarthy (21), Raymond Thomas Chapman (50), Peter McDonnell (21),

Gary Christopher Church (19), Alan McGlone (28), Joseph Clark (29), Keith McGrath (17), Paul Clark (18), Paul Brian Murray (14), Gary Collins (22),

Lee Nicol (14), Stephen Paul Copoc (20), Stephen Francis O’Neill (17), Tracey Elizabeth Cox (23), Jonathon Owens (18), James Philip Delaney (19),

William Roy Pemberton (23), Christopher Barry Devonside (18), Carl William Rimmer (21), Christopher Edwards (29), David George Rimmer (38),

Vincent Michael Fitzsimmons (34), Graham John Roberts (24), Thomas Steven Fox (21), Steven Joseph Robinson (17), Jon-Paul Gilhooley (10),

Henry Charles Rogers (17), Barry Glover (27), Colin Andrew Hugh William Sefton (23), Ian Thomas Glover (20), Inger Shah (38), Derrick George Godwin (24),

Paula Ann Smith (26), Roy Harry Hamilton (34), Adam Edward Spearritt (14), Philip Hammond (14), Philip John Steele (15), Eric Hankin (33),

David Leonard Thomas (23), Gary Harrison (27), Patrik John Thompson (35), Stephen Francis Harrison (31), Peter Reuben Thompson (30),

Peter Andrew Harrison (15), Stuart Paul William Thompson (17), David Hawley (39), Peter Francis Tootle (21), James Robert Hennessy (29),

Christopher James Traynor (26), Paul Anthony Hewitson (26), Martin Kevin Traynor (16), Carl Darren Hewitt (17), Kevin Tyrrell (15), Nicholas Michael Hewitt (16),

Colin Wafer (19), Sarah Louise Hicks (19), Ian David Whelan (19), Victoria Jane Hicks (15), Martin Kenneth Wild (29), Gordon Rodney Horn (20),

Kevin Daniel Williams (15), Arthur Horrocks (41), Graham John Wright (17), Andrew Devine (55)

ENDLICH die WAHRHEIT

Es ist ein denkwürdiger und zugleich auch trauriger Tag - der 12.09.2012.

Nach 23 langen und harten Jahren, mit einem Kampf der seines Gleichen sucht, war es den Hinterbliebenen und den vielen Unterstützern endlich gelungen, die Wahrheit herauszufinden!!

Am 15.04.1989 zum Spiel von Nottingham Forest gegen den Liverpool FC in Sheffield (Hillsborough Stadium) waren NICHT die Fans Schuld an einer der größten Katastrophe in der Nachkriegszeit, sondern ganz eindeutig die Verantwortlichen für Ordnung und Sicherheit!!

 

Eckdaten zur bisherigen juristischen Aufarbeitung der Hillsborough-Katastrophe

 

2 Tage nach Hillsborough

  • Innenminister-Ankündigung eines Gesetzes zur Abschaffung von Stehplätzen in Fußballstadien (was auch im Gesamtkontext zu den Stadion-Katastrophen 1985 von Bradford/56 Tote und Heysel/39 Tote zu sehen ist)

 

1991

  • Abschluss der ersten Untersuchung mit dem Ergebnis, dass alle Verstorbenen durch einen Unfall den Tod gefunden hatten

  • eine politische Aufarbeitung blieb lange Zeit aus

 

2009

  • Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission unter Vorsitz des Bischofs von Liverpool

 

17. Oktober 2011

  • nachdem 139.000 Menschen eine Petition unterzeichnet hatten, beschloss das britische Parlament, dass die Kommission alle Akten über das Unglück erhalten soll

 

12. September 2012

  • Veröffentlichung des Berichts  der unabhängigen Untersuchungskommission (Hillsborough Report)

  • die Schuld für das Unglück ist nicht bei den Fans, sondern den Ordnungskräften zu suchen

  • 41 Opfer hätten gerettet werden können, wenn die medizinische Versorgung schnell genug angelaufen wäre

  • Vorwurf an die Polizei, 164 Aussagen von Augenzeugen verändert zu haben, davon 116, die das Verhalten der Polizei an diesem Tag in ein schlechtes Licht gerückt hätten

 

19. Dezember 2012

  • das oberste Zivilgericht Großbritanniens revidiert das ursprüngliche Urteil von 1991

 

31. März 2014

  • eine neue Untersuchungskommission unter der Leitung von Richter John Goldring nimmt ihre Arbeit auf

 

2016

  • Einschätzung der neuen Untersuchungskommission, dass der Tod der Fans kein Unfall war, sondern durch die Verletzung von Vorschriften und Gesetzen verschuldet wurde

  • die Anklagebehörde erklärt, dass sie zwei Verfahren gegen die Polizei vorbereite, in denen es zum einen um mögliche strafbare Verstöße von Polizeiangehörigen, die zum Tod der Fans beigetragen haben, sowie zum anderen um die mögliche anschließende Vertuschung von Fakten durch die Polizei in Folge der Katastrophe gehe

  • eine mögliche Anklage betrifft vor allem Duckenfield, der vor der Untersuchungskommission bereits zugegeben hatte, früher die Unwahrheit gesagt zu haben

 

Juni 2017

  • Strafanzeige und Anklage gegen sechs Personen (David Duckenfield, drei beteiligte Polizisten, ein Jurist sowie Graham Mackrell [ehemaliger Geschäftsführer von Sheffield Wednesday])

 

3. April 2019

  • kurz vor dem 30. Jahrestag der Hillsborough-Katastrophe endet das im Januar 2019 begonnene Gerichtsverfahren – leider und enttäuschend ohne Schuldspruch durch die 12 köpfige Jury für den damaligen verantwortlichen Polizeichef David Duckenfield

  • schuldig gesprochen wird indes der ehemalige Sheffield Wednesday-Geschäftsführer Graham Mackrell angesichts der Tatsache, dass nicht ausreichend viele Drehkreuze zur Verfügung standen, um einen reibungsloseren Einlass zu ermöglichen

  • eine neue Anklage gegen Duckenfield wegen Totschlags durch grobe Fahrlässigkeit von 95 Männern, Frauen und Kindern soll angestrebt werden

  • das 96. Opfer (Tony Bland), das erst ein Jahr später an den Folgen der bei der Katastrophe zugezogenen Verletzungen verstarb, kann hier aufgrund eines Gesetzes von 1989 nicht einbezogen werden

 

25. Juni 2019

  • Ein Gericht lässt einen neuerlichen Prozess gegen David Duckenfield zu, der im Oktober beginnen soll.

 

29. November 2019

  • Am Ende eines sechswöchigen Prozesses wurde der in Hillsborough zuständige Einsatzleiter der Polizei, David Duckenfield, zum Entsetzen der Hinterbliebenen der Opfer und der gesamten Liverpool-Familie freigesprochen.

 

16. September 2025

  • Das Hillsborough-Gesetz, offiziell „Public Office (Accountability) Bill” (Gesetzentwurf zur Rechenschaftspflicht öffentlicher Ämter), wird im Unterhaus eingebracht. Es ist ein Gesetzesvorschlag, der künftige Vertuschungsaktionen des Staates wie im Fall der Katastrophe von Hillsborough verhindern soll. Er sieht eine gesetzliche Offenlegungspflicht für öffentliche Einrichtungen und Beamte vor, um Transparenz bei Untersuchungen zu gewährleisten, führt neue Straftatbestände für die Irreführung der Öffentlichkeit ein und sieht eine bessere Unterstützung für die Familien der Opfer vor. Der von den Familien der Opfer vorangetriebene Gesetzentwurf zielt darauf ab, eine gesetzliche Verpflichtung zu Ehrlichkeit, Transparenz und vollständiger Offenlegung während Ermittlungen zu verankern, mit Strafen bis hin zu Freiheitsentzug bei Nichteinhaltung, um sicherzustellen, dass bei staatsbezogenen Vorfällen die Wahrheit ans Licht kommt.